BUCHTIPPS FÜR DEN URLAUB - TEIL 2
Geschichten zum Träumen
Lektüre am Bergsee
Thomas Bernhard (1931-1989) war ein Meister der Wortgirlanden und eigenbrötlerischen Figuren voller Schrullen, Genie und Wahnsinn. Der österreichische Autor scheute keine Konfrontation, er war aber auch ein hochmusikalischer Mensch, der in jungen Jahren Libretti schrieb. In seinem ersten Romanerfolg „Das Kalkwerk“ (1970) ließ er ein Ehepaar an Hör-Studien zugrunde gehen. Auch viele seiner späteren Werke haben mit Musik zu tun. „Der Untergeher“ (1983) zum Beispiel ist eine Bernhard’sche Verbeugung vor dem Klaviergenie Glenn Gould. „Wir gehen entweder als Ganzes in die Musik hinein oder gar nicht, hat Glenn oft gesagt, auch zu Horowitz. Aber nur er allein wusste, was das bedeutet, dachte ich.“ Am besten lesen sich Bernhards Bücher vor der Kulisse österreichischer Bergseen.
- Thomas Bernhard: Das Kalkwerk. Suhrkamp 1970. 211 Seiten.
- Thomas Bernhard: Der Untergeher. Suhrkamp 1983. 243 Seiten.
Der Griff in die Tasten
Bereits im Roman „Die Klavierspielerin“ (1983) lässt die ehemalige Kompositionsstudentin Elfriede Jelinek ihr tiefes musikalisches Wissen einfließen. 2004 erhielt die Autorin den Literaturnobelpreis. Das Komitee würdigte ausdrücklich „den musikalischen Fluss von Stimmen und Gegenstimmen in Romanen und Dramen, die mit einzigartiger sprachlicher Leidenschaft die Absurdität und zwingende Macht der sozialen Klischees enthüllen“. Sonniges Strandbuch ist „Die Klavierspielerin“ mit seinen gequälten Figuren allerdings keines. Dazu eignet sich der Roman „Vindings Spiel“ ein bisschen besser. Der norwegische Autor und Pianist Ketil Bjørnstad zeichnet in seinem Buch das einfühlsame Porträt eines angehenden Pianisten inmitten einer Gruppe junger Talente nach. „Wir sind ein bisschen merkwürdig, fast wie eine Sekte. Wir wissen kaum, wer die Beatles sind oder die Rolling Stones. Wir beschäftigen uns mit etwas ganz anderem.“ – Nämlich klassischer Klaviermusik.
- Elfriede Jelinek: Die Klavierspielerin. Rowohlt 1983. 283 Seiten.
- Ketil Bjørnstad: Vindings Spiel. Insel 2006. 347 Seiten.
Musik und Obsession
Musik ist in vielen Büchern ein Sinnbild für die Obsession eines Menschen. Da bildet Robert Schneiders Weltbestseller „Schlafes Bruder“ aus dem Jahr 1992 keine Ausnahme. Die Geschichte des Organisten Johannes Elias Alder, der Anfang des 19. Jahrhunderts im Bregenzerwald ganz in seinem Instrument aufgeht, wurde in 36 Sprachen übersetzt und verkaufte sich millionenfach. Eine gute Portion Pathos muss man allerdings mögen, um die Lektüre genießen zu können. „Er hatte die Menschen unter Hypnose gebracht. Sie saßen reglos on den Bänken, ihre Augenlider bewegten sich nicht mehr. Ihr Atmen hatte sich verlangsamt, und die Frequenz ihrer Herzschläge war die Frequenz seines Herzschlagens geworden.“
Etwas weniger obsessiv und gefühlsbetont, dafür zeitgeschichtlich spannender ist Svenja Leibers Roman „Das letzte Land“. Auch hier steht ein hochmusikalischer Junge aus einfachen Verhältnissen im Zentrum; der Schauplatz ist Norddeutschland. Ruven Preuks vielversprechende Karriere als Geiger wird allerdings von den politischen Entwicklungen am Vorabend des Zweiten Weltkriegs zunichte gemacht.
- Robert Schneider: Schlafes Bruder. Reclam Leipzig 1992. 202 Seiten.
- Svenja Leiber: Das letzte Land. Suhrkamp 2014. 308 Seiten.
Popsongs und augenzwinkerndes Liebesleid
Im Vergleich zu den eben genannten Büchern ist Nick Hornbys Kultbuch „High Fidelity“ aus dem Jahr 1995 definitiv strandtauglich. Hauptfigur des Pop-Romans, der auch erfolgreich verfilmt wurde, ist der sympathische Loser-Typ Robert Fleming. Der 35-Jährige ist Besitzer eines Plattenladens in London und passionierter Listen-Schreiber, der alle möglichen Dinge in eine „Top Five“-Reihung bringt. Unter anderem die „unvergesslichsten Trennungen“ seines Lebens. Und damit sind die beiden Themen, die den unterhaltsamen Roman prägen, bereits genannt: Popmusik und Liebesleid mit Augenzwinkern. Hornbys Kultbuch fand viele Nachahmer, aber bis auf Mikael Niemis „Populärmusik aus Vittula“ kommt kaum einer ans Original heran. Klare Strand-Empfehlung für beide Titel!
- Nick Hornby: High Fidelity. Knaur 1995. 320 Seiten.
- Mikael Niemi: Populärmusik aus Vittula. Btb 2002. 304 Seiten.
Lust auf mehr Buchtipps? Im Teil 1 unserer sommerlichen Buchtipps finden Sie noch mehr empfehlenswerte Romane. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen!
Webtipp für Buchliebhaber
Komponisten, Dirigenten und Musiker sind die Helden der Bücher von lovelybooks‘ „Schönsten Empfehlungen für Musikliebhaber“. Die Website für Buchliebhaber hat ihre User zu ihren liebsten Romanen über Musik befragt. Von der Liste mit 121 Büchern finden sich manche auch bei uns wieder.
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